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Geschrieben nach einem Artikel von Paul Rothmund † (mit Anmerkungen von Daniel Kähny)

In den letzten Beiträgen zum Wirtschaftsstreit wurden öfters Begrifflichkeiten wie „Gerichtsmann“ oder „Vogt“ benutzt. Doch welche Bedeutung hatten diese? In Band 1 der heimatgeschichtlichen Reihe von Paul Rothmund (*1925 †1989) findet sich ein kurzer Artikel zu diesem Thema, der im Folgenden wiedergegeben ist.

Das Eichsler Gericht (von Paul Rothmund †)

Jahrhunderte lang hatte Eichsel während der vorderösterreichischen Herrschaft zusammen mit den Gemeinden Adelhausen, Minseln und Nordschwaben ein gemeinsames Gericht. Aufgabe dieses Gerichtes war es, alle örtlichen Angelegenheiten zu ordnen, die nicht unter die hohe Gerichtsbarkeit fielen. Dazu gehörten Grundbuchsachen, also Käufe, Verkäufe und Tausch von Grundstücken und Gebäuden, Eintragung von Darlehen und Sicherheiten, Beurkundung von Verträgen aller Art wie zum Beispiel Eheverträgen, Überwachung der öffentlichen Ordnung und Bestrafung kleiner Vergehen. An der Spitze dieses Gerichtes stand der Stabhalter oder Stabführer. Als Zeichen seines Amtes hatte er den Stab, d. h. einen Schwurstab, an dem eine geschnitzte Schwurhand war. Er wurde bei Eiden verwendet.

Urteilssprecher waren die Gerichtsmänner oder Geschworenen, die wie der Stabhalter von den Bürgern gewählt und von der Herrschaft bestätigt werden mussten. Aus der Reihe der Geschworenen wurde der Gerichtsschreiber und auch der Fürsprecher bestimmt, der praktisch die Rolle eines Anwalts übernahm. Über jeden Gerichtstag wurde ein Protokoll geführt und jeder einzelne behandelte Punkt genauestens aufgeschrieben.

Im Jahre 1775 trennte das Kaiserlich Königliche Oberamt Rheinfelden unter dem Oberamtmann von Walter, dem Rentmeister Tanner und dem Landschreiber Hetzer dieses gemeinsame Gericht der Dinkelberggemeinden und schuf daraus zwei Gerichtsbezirke: Minseln mit Nordschwaben und Eichsel mit Adelhausen. Ab diesem Zeitpunkt datiert das noch erhaltene Protokollbuch von Eichsel. Die erste Eintragung in dieses Eichsler Gerichtsprotokollbuch lautet (in heute übliches Deutsch übertragen):

"Demnach ist dann auf heutiges Datum, den 20. November 1775 das Gericht zum ersten Mal zu Adelhausen gehalten worden durch den Stabführer Anton Kutter, die Recht- oder Urteilssprecher Hans Adam Roggenmoser zu Niedereichsel, Joseph Hohler zu Rapperswyhl, Johannes Kirchhofer zu Adelhausen, Gerichtsschreiber und Urteilssprecher zugleich Anton Keßler von Obereichsel, als Fürsprecher Fridolin Ruetschli zu Ottwangen als der Älteste, welcher aber krankheitshalber für dieses mal nicht beiwohnen konnte."

Bei diesem ersten Gerichtstag wurden insgesamt 23 Tagesordnungspunkte erledigt. Darunter waren ein Hauskauf in Niedereichsel, ein Waldtauschgeschäft, mehrere Matten-, Äcker- und Waldkäufe sowie drei Darlehenssicherungen. Das Gericht blieb auch in der großherzoglich-badischen Zeit noch lange bestehen. Der Stabhalter erhielt den Namen Vogt. Zusammen mit dem Gerichtsschreiber und zwei Gerichtsmännern bildeten sie in der Gemeinde das Gremium der "Vorgesetzten".

Anmerkung von Daniel Kähny:

1789 bekommt Adelhausen einen eigenen Vogt und eine eigene Gerichtsbarkeit. Erst mit den badischen Gemeindegesetzen von 1832 änderte sich die Gemeindeverwaltung grundlegend. Adelhausen wurde ab diesem Zeitpunkt von einem gewählten Gemeinderat und Bürgermeister verwaltet.

Quellen:
Paul Rothmund,  Heimatgeschcihtliche Schriftenreihe Rheinfelden Dinkelberg, Heft 4, Es war einmal ..., Band 1, 1989